B. Dräger: 30 Jahre Schachsport in Vechta
Schachverein Vechta - Schachabteilung der Sportfreunde Niedersachsen Vechta 1947-1968
Schachverein Kaponier Vechta 1977-1986
Ein Bericht von 1986
30 Jahre Schach als Vereinssport in Vechta - für einen Historiker mag
diese Zeitspanne nur einen Wimpernschlag der Geschichte bedeuten, sie beinhaltet
aber für diejenigen,die aktiv am Vereinsle-ben teilgenommen haben, eine
Fülle von Ereignissen und Entwicklungen, die einen Rückblick lohnen.
Man rufe sich z.B. nur die vielen tausend Schachpartien in Erinnerung, die
gefüllt sind mit Hoffnungen, Erwartungen, Freude und jäher
Enttäuschung, oder die Fluktuation im Mitgliederstand, der Wechsel in
der Vereinsführung oder das Auf und Ab in den Erfolgen bei den
Mann-schaftskämpfen.
Schach wird in der Stadt Vechta mit ihren vielen Schulen, der
Lehrerbildungsstätte und den kommunalen Behörden sicherlich schon
lange Zeit gespielt. So trafen sich vor dem Zureiten Weltkrieg auch einige
Freunde des Schachspiels fast regelmäßig in der Gaststätte
Wieting zum Cafehausschach. Zur Vereinsbildung für den Schachsport kam
es aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg, eine Entwicklung, die bei wenigen
Ausnahmen wie z.B. SV Leer von 1909 oder dem Wilhelmshavener Schachclub von
1887 - für die Region Oldenburg - Qstfriesland allgemein konstatiert
werden kann. In Vechta wurde die Gründung eines Schachvereins
maßgeblich durch die Folgen des Zweiten Weltkrieges beeinflußt,
durch Flucht und Vertreibung. Bei den Neuansiedlern handelte es sich um eine
Personengruppe, bei der das Hobby Schach signifikant häufig vertreten
war.
Am 01. 07. 1947 wurde von den Schachfreunden Bock, Goldmann, Th. Möller,
Petukat, Stoschek, True und Wischnewski der erste Schachverein in Vechta
gegründet, der sich als Abteilung Schach dem Sportverein Niedersachsen
Vechta angliederte. Zum 1. Vorsitzenden wurde Walter Wischnewski gewählt,
unter dessen engagierte Leitung der Verein schon im Frühjahr 1948 im
Gebäude der Pädagogischen Hochschule ein Simultanturnier
ausrichtete. Zu diesem schachsportlichen Ereignis reisten Schachfreunde der
ganzen Region an, da der Deutsche Meister Ahues aus Bremen das Turnier bestritt.
Die Entlohnung für den Schachmeister erfolgte, wie vor der
Währungsreform üblich, in Naturalien. Auch im folgenden Jahr konnte
der Verein - im Saale Schäfer - ein großes Simultanturnier
veranstalten, so daß es nicht verwunderlich war, daß die
Mitgliederzahl bei einem so attraktiven Programm bald die für einen
Schachverein erstaunliche Marke von 50 Mitgliedern überschritt. In den
Verein integriert war eine Gruppe von 10 Schachspielerinnen, eine
Größenordnung, über die sich jeder Verein heute freuen
würde, bedenkt man, welche Schwierigkeiten es z. Zt. bereitet, das
obligatorische Damenbrett bei Vergleichskämpfen, wie z.B.
Länderkämpfen, zu besetzen.
Das erste Schachlokal des Vereins war das Cafe Grewe, von wo der Verein 1953
zur Gaststätte Wieting überwechselte. Nach Aufgabe der Gaststätte
war der Verein bis zu seiner Auflösung im Jahre 1963 in der Gaststätte
"Zum Wasserfall" untergebracht.
Vielen Vechtaer Bürgern werden noch die Duelle im Blitzschach zu sehr
später Stunde in der Erinnerung verhaftet sein, wenn - häufig auf
Kosten der schachsportlichen Leistung - zu fortgeschrittener Tages- oder
besser Nachtzeit sehr zur Freude der Kiebitze die rhetorischen Anstrengungen
der Schachnarren gesteigert wurden.
Gesellschaftlicher Höhepunkt jeder Schachsaison bildete in der Faschingszeit
der Schachball, an dem auch die Repräsentanten der Stadt und der
benachbarten Schachvereine gerne teilnahmen. Die-se Schachbälle waren
vom Vorsitzenden des Vechtaer Schachvereins, Walter Wischnewski, der auch
die Leitung des Bezirks Südoldenburg übernommen hatte, vortrefflich
organisiert.
Im Jahre 1953 übernahm Karl Stoschek den Vereinsvorsitz. Die Mannschaft
von Niedersachsen Vechta konnte mehrere Male in einem guten Feld von Mitbewerbern
den Titel "Mannschaftsmeister von Südoldenburg - Bersenbrück"
erringen.. Als Einzelspieler sind aus dieser Zeit besonders hervorzuheben
der Spitzenspieler und langjährige Stadt- und Vereinsmeister Kross,
der Routinier Bock, Stoschek, der den begehrten Pokaltitel des Vierbandes
erspielte, und der talentierte Nachwuchsspieler Dieter Bünger, der in
jungen Jahren bei den Einzelmeisterschaften der Senioren im Verband Oldenburg
- Ostfriesland ganz oben mitmischen konnte.
In den Sechzigerjähren, in denen das Vereinsleben ganz allgemein
zurückging und die Vereine mit wenigen Mitgliedern am ehesten in der
Existenz bedroht waren, brachen schwere Zeiten vor allern für die
Schachvereine an. Im Bezirk Südoldenburg allein lösten sich die
Vereine Harpstedt, Wildeshausen und der junge Verein Dinklage auf. Und auch
in Vechta kam der Spielbetrieb zum Erliegen, nicht zuletzt deshalb, weil
auch dieser Verein es versäumt hatte, hinreichend intensiv die
Nachwuchsarbeit zu fördern, somit ging eine schleichende Auszehrung
an Mitgliedern vor sich.
Einige Spieler wanderten nach der Vereinsauflösung zu benachbarten Vereinen
ab. Bedauerlich ist vor allem, daß fast alle Unterlagen aus diesen
mehr als 20 Jahren Geschichte des ersten Vechtaer Schachvereins verloren
gingen, auch die eindrucksvollen Wandtafel, auf die alle Namen der Stadt-
und Vereinsmeister eingraviert waren. Deshalb tappt der Chronist bei der
Sammlung exakter Zahlen und Daten über diesen Zeitraum im dunklen und
ist fast ausschließlich auf die mündliche Überlieferung
angewiesen.
Im Frühjahr 1977 unternahmen es die Schachfreunde Dieter Bünger
und die Gebrüder Dräger, die bis dahin in der ersten Mannschaft
der Schachfreunde Lohne gespielt hatten, den Verein in Vechta neu zu
begründen. Auf der Gründungsversammlung im Vechtaer Kolpinghaus,
dem neuen Vereinslokal, schrieben sich 18 Personen in die Mitgliederliste
ein. Als besonders erfreulich ist hervorzuheben, daß nach zehn Jahren
Abstinenz im Vechtaer Vereinsschach auch einige Mitglieder des alten Vereins
wieder mitwirkten, so daß sich, wenn auch nicht nahtlos, an die Tradition
des alten Vereins anknüpfen ließ. Aufgrund dieser Tatsache wurde
auch den Schachfreunden Bünger, Freier, Rühmer und Wischnewski
in den folgenden Jahren für 25 Jahre Engagement im Schachverein die Silberne
Verbandsnadel des Niedersächsischen Schachverbandes verliehen.
Die Mannschaft erreichte auf Anhieb den Aufstieg in die Bezirksklasse und
war auch in der Lage, einen unglücklichen Abstieg als Viertletzter der
Klasse wegzustecken und nach direktem Wiederaufstieg ohne Punktverlust den
weiteren Aufstieg in die Bezirksliga zu erkämpfen. Die Einzelmeisterschaften
der Senioren im Bezirk Südoldenburg waren lange Zeit in der Hand Vechtaer
Spitzen-spieler. So schrieben sich B. Dräger, H. Fischer und mehrere
Male D. Bünger und H. Dräger in die Siegerlisten ein. Auch einige
Jugendtitel und gute Plazierungen für Nachwuchsspieler konnten erreicht
werden. Bei den Stadtmeisterschaften und Vereinsmeisterschaften dominierte
Dieter Bünger eindeutig, nur die Gebrüder Dräger konnten ihn
gelegentlich an der Titelverteidigung hindern.
Eine besondere Erwähnung verdienen die seit einigen Jahren
regelmäßig durchgeführten Trainingsstunden für eine
Jugendgruppe. Das gute Abschneiden der Jugendlichen bei den letzten
Meisterschaften und eine analoge Plazierung in den Mannschaften sind die
Folge. Sogar der Titel des Vereinsmeisters ging in diesem Jahr an ein ehemaliges
Mitglied dieser Jugendgruppe, J. Mahlmann.
Die Schnellschachpartie nimmt im Verein einen hohen Stellenwert ein, und
das gute Abschneiden auf der Ebene Südoldenburgs in Einzeltiteln und
Mannschaftswertungen bestätigt dies eindrucksvoll. Im Jahre 1980 gelang
es dem Verein Kaponier mit Bünger, B. Dräger, H. Dräger und
H. Fischer den Titel "Blitzmannschaftsmeister des Schachbezirks Oldenburg
- Ostfriesland e.V." in einem äußerst starken Feld von Konkurrenten
zu gewinnen.
Vom Vechtaer Verein gehen auch auf die Schachregion gewichtige Impulse aus.
Nicht nur, daß der Verein den Großmeister L. Pachmann zu einem
stark besetzten Simultanturnier gewinnen konnte sowie auch den internationalen
Meister Pritchett aus Schottland und auch viele Veranstaltungen des Unterbezirks
und des Bezirks ausrichtete oder zwei Länderkämpfe zwischen
Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen organisierte, bezeugen das, sondern
auch allein schon die Tatsache, daß über 10 Jahre der Vorsitz
im Unterbezirk Südoldenburg und fast eben so lange der Vorsitz im Bezirk
Oldenburg - Ostfriesland vom Vechtaer Vorsitzenden übernommen wurde.
Auch die Turnierleitung im Unterbezirk oder der Schiedsgerichtsvorsitzende
im Bezirk werden vom Vechtaer Verein gestellt.
Es ließen sich noch zahlreiche Einzelaspekte anführen, wenn ein
abgerundetes Bild der vielfältigen Aktivitäten des relativ kleinen
Vereins Kaponier Vechta skizziert werden sollte. So wäre u.a. über
Werbeveranstaltungen in der Öffentlichkeit, regelmäßige
Bereicherungen der Ferienpaßaktion durch Schachangebote, Schachabende
mit Studien am Demonstrationsbrett, Problemlösungsaufgaben, geselliges
Beisammensein oder Simultanveranstaltungen in der JVA und die Teilnahme einer
Mannschaft an Fernschachturnieren anzuführen. Vollständigkeit kann
und soll hier aber nicht in der Berichterstattung angestrebt werden, vieles
muß exemplarisch für anderes stehen. Und ein Gesamteindruck
läßt sich auch bei dieser summarischen Schau doch nur in
abgeschwächter Form erreichen. Denn in Anwendung eines Wortes des
Philosophen Ludwig Wittgenstein, daß das Ganze mehr ist als die Summe
seiner Teile, ergibt sich erst im Zusammenwirken aller Faktoren ein
einigermaßen zuverlässiges Bild; die Atmosphäre, das Binnenklima
des Vereins, kann letztlich nur der erspüren, der einem Schachverein
angehört. Die Faszination, die alle Hitglieder des Vereins miteinander
verbindet, geht immer wieder vom Wesen des königlichen Spiels aus,
nämlich daß sich bei eng umgrenzten Regeln eine unüberschaubare
Möglichkeit von Zügen ergibt, oder anders gesagt, daß
Schachspielen den unendlichen Gebrauch von endlichen Mitteln bietet und somit
höchste Anforderungen an die Freunde des Schachspiels stellt. Daß
der Schachsport aufgrund dieser Anforderungen eine Zukunft hat, ist unschwer
zu konstatieren. Unsere Aufgabe ist es, ihm auch in den Vereinen eine
Verbreitung zu sichern.
Rückblickend auf dreißig Jahre Vereinsgeschichte möchte ich allen Förderern des Schachsports in Vechta danken, vor allem denjenigen, die durch ihre Vereinszugehörigkeit und durch hervorragende Arbeit für den Verein diese 30 Jahre Schachsport ermöglichten. Dabei gedenken wir auch der ver-storbenen Schachfreunde, von denen ich stellvertretend Stoschek, Waterkamp, van Dyck und H. Fischer nenne. In der Hoffnung, daß die Vereinstradition sich jetzt ungebrochen -standhaft wie das Wahrzeichen des Vereins es ankündigt - fortsetzen läßt, rufe ich dem jungen, dreißigjährigen Jubi-lar, dem Schachverein Kaponier Vechta, zu: "ad multos annos!"
Benno Dräger
1. Vorsitzender des Schachvereins Kaponier Vechta
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